Im Gespräch mit Steffen Ronft über Eventpsychologie: Wie werden Veranstaltungen wirksam optimiert?

Drei Fragen an Herausgeber Steffen Ronft

1. Dezember 2020

Steffen Ronft gilt als der führende Experte in Sachen Eventpsychologie. In seinem Grundlagenwerk „Eventpsychologie. Veranstaltungen wirksam optimieren: Grundlagen, Konzepte, Praxisbeispiele“ lässt er viele Stimmen aus Forschung und Wissenschaft zu Wort kommen. Auch die Perspektive aus der Praxis kommt nicht zu kurz. imb troschke hat einzelne Aspekte der Eventpsychologie auf die Messebranche übertragen und beleuchtet.

Uns hat es Spaß gemacht, an dem Buch mitzuwirken, und wollten von Steffen Ronft noch ein bisschen mehr wissen.

#Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch zum Thema Eventpsychologie ein Buch zu veröffentlichen?

Die Notwendigkeit für ein solches Grundlagenwerk, zeichnete sich schon Anfang der 2010er Jahre ab. Sowohl bei meinen betriebswirtschaftlichen und wirtschaftspsychologischen Studienjahren begleitete mich stets die Frage, welche Disziplin bildet denn nun den Einsatz psychologischer Erkenntnisse für die Eventbranche ab? Es gab zwar eine Markt- und Werbepsychologie, welches sehr Marken- und handelsorientiert war, dann wiederum eine Arbeits- und Organisationspsychologie, die sich mit der Zusammenarbeit von Menschen beschäftigte, eine Sportpsychologie für Leistungssportler unter Stressbedingungen, aber eben keine Perspektive, die sich mit den besonderen Gegebenheiten der MICE Branche befasste. So war für mich die Mission klar, dass ich diese Lücke systematisch schließen und ich so der MICE Branche zu einer eigenen psychologischen Perspektive verhelfen möchte. Meinen weiteren akademischen und beruflichen Lebensweg habe ich dann dieser Mission verschrieben.

Je stärker ich dieses Thema vorantrieb, desto deutlicher wurde, dass das Thema derzeit weder in der Branche noch in der Wissenschaft angemessen aufgearbeitet war. So liefen wissenschaftliche Publikationen und Erfahrungen aus der Branche parallel, aber ohne entsprechende Verzahnung nebeneinander her. So gab es zum einen in den verschiedenen psychologischen Disziplinen wie der Emotions- und Wahrnehmungspsychologie viele Erkenntnisse, die für die MICE Branche relevant sind, jedoch noch nicht strukturiert in der Praxis angekommen waren. Andererseits gab es – über die Jahre bewährte – Vorgehensweisen von erfahrenen Eventplanern, die noch nicht wissenschaftlich untersucht bzw. reflektiert wurden.

Der Faktor Mensch ist unbestritten die wichtigste Determinante jeder Veranstaltung. Unabhängig davon, ob es sich um eine Messe oder Corporate Event mit kommunikativer Botschaft, eine Kongressveranstaltung zur Wissensvermittlung oder ein Public Event zu Unterhaltungszwecken handelt. Neben den betriebswirtschaftlichen Faktoren sind es somit die psychologischen Faktoren, die über den Erfolg einer Veranstaltung entscheiden.

Durch Hochschulvorlesungen, Keynotes, Workshops und gezielte Unternehmensberatung versuchte ich diese Lücke zu schließen. Immer begleitet von unzähligen Studien und Publikationen im Gepäck. Letztlich möchte ich dieses Wissen aber auch komprimiert für Jedermann zur Verfügung stellen. Daher war klar, es müssen die jeweiligen Experten aus Wissenschaft und Praxis an einen Tisch und ihr Expertenwissen zum Thema Eventpsychologie systematisch zusammentragen. So entstand nach jahrelanger Recherche und Bearbeitung ein Sammelband, in welchem über 50 Expertinnen und Experten, mehr als 15 beteiligte Hochschulen und Universitäten sowie renommierte Branchenunternehmen, ihr Expertenwissen zur Verfügung stellen. Dieses Grundlagenwerk zum Thema Eventpsychologie soll damit diese bisherige Lücke schließen und neue Impulse geben.

#Geht es bei Eventpsychologie, ganz gleich auf welcher Veranstaltung, um die Manipulation der Teilnehmer oder Besucher?

Dies ist tatsächlich eine der Fragen, die einem in dem eventpsychologischen Kontext immer wieder umtreibt. Zunächst muss man ganz abstrakt den allgemeinen Zweck von Veranstaltungen reflektieren. Es geht letztlich darum, für den Besucher ein Erlebnis zu schaffen, welches meinen Zielsetzungen als Veranstalters entspricht. In einem Veranstaltungskonzept versuche ich somit die Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und -bewertung sowie letztlich das Verhalten meiner Gäste vorherzusagen. In der Psychologie kann man diese Zielsetzungen entsprechend in kognitive, affektive und konative Ebenen differenzieren.

Als Veranstalter versuche ich die von mir dargebotenen Reize so zu gestalten, dass die von mir beabsichtigte Wirkung beim Teilnehmer entsteht. Ein Reiz, in der Psychologie auch Stimulus genannt, ist letztlich jede Komponente des Veranstaltungskonzepts, von der Einladung bis zum Catering. Somit dienen Veranstaltungskonzepte grundsätzlich der Vorhersage und Beeinflussung bis hin zu Steuerung der subjektiven Erlebnisse der Gäste. Der Begriff Manipulation erweitert die Einflussnahme um den Aspekt, dass dem Beeinflussten dies nicht bewusst ist. Daher ist diese Frage zur Manipulation nicht pauschal zu beantworten. Letztlich könnte man auch durchaus die Überlegung anstellen, inwiefern zum Beispiel eine positive emotionale Beeinflussung nicht sogar die eigentliche Dienstleistung ist, die ein Teilnehmer einer Unterhaltungsveranstaltung nachfragt. Andererseits gibt es aber auch diverse Mechanismen, insbesondere aus der Markt- und Werbepsychologie, die für den Teilnehmer gezielt unbewusst und auch für ihn nachteilig eingesetzt werden könnten. Gerade wenn man an Preispolitik denkt, ergeben sich solche Szenarien, die schon einen täuschenden Charakter aufweisen können. Aus diesem Grund, haben gibt es im Sammelband auch ein Kapitel, welches sich gezielt mit ethischen und juristischen Limitationen des Einsatzes von Eventpsychologie auseinandersetzt.

#Was kann Ihrer Ansicht nach die Eventpsychologie zur Weiterentwicklung von Messen beitragen?

Dies ist natürlich ein spannendes Feld, da wir mit den Messeveranstaltern, den Ausstellern und Besuchern verschiedene Perspektiven haben. Letztlich haben aber Alle Interesse an einer erfolgreichen Messe, die eine effektive Kommunikation zwischen Aussteller und Besucher ermöglicht.

Ein Messestand dient dazu, eine Marke erlebbar zu machen und Botschaften des Ausstellers zu kommunizieren. Im Vergleich zu duosensualen Kommunikationsmedien besteht hier die Möglichkeit – und aus meiner Sicht sogar die Pflicht – diese Botschaft über mehrere Sinneskanäle zu vermitteln. Das Thema Multisensualität, als zeitgleiche Wahrnehmung über die visuelle, akustischen, olfaktorischen, gustatorischen und haptischen Sinneskanäle, ist in der Messebranche grundsätzlich bekannt. Vor diesem Hintergrund ist es umso verwunderlicher, wie viele Unternehmen sich auf Messen ohne multisensuales Konzept präsentieren. Stetig ergeben sich neue Erkenntnisse, wie die einzelnen Sinneswahrnehmungen zusammenspielen und Verstärkungseffekte wie das Multisensory Enhancement genutzt werden können. Ich glaube viele Aussteller müssen sich bewusst werden, dass es sich um eine dreidimensionale Visitenkarte und Begegnungsraum des Unternehmens handelt. Jeder nicht genutzte Sinneskanal vergeudet damit Kommunikationspotenzial oder kann sich bei einer Inkongruenz zur tatsächlichen Botschaft sogar negativ auswirken.

Messen müssen gerade in Zeiten der Digitalisierung vom Besucher her gedacht werden, welcher mittlerweile vielseitige Anforderungen an eine Messeveranstaltung stellt. Hat sich der Messebesuch gelohnt? Welchen Mehrwehrt habe ich nach der Reise? Gerade in Zeiten von Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder wie in diesem Jahr die COVID-19 Epidemie, werden sich viele Messegänger diese Fragen stellen. Messen müssen daher diverse psychologische Komponenten, auch aus der Lern- uns Sozialpsychologie, verinnerlichen. Der Wandel von klassischen Messeformate hin zu interaktiven Bestandteilen wie Workshops, Open Space Bühnen, Networking-Areas, etc. tragen dem bereits Rechnung.

Auch zu mehr wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit kann das psychologisches Wissen bei Auftraggebern und Dienstleistern beitragen. Hinterfragen und Reflektieren sind hier die Stichworte. Ich kann durch stetige psychologische Reflexion die Treffsicherheit meiner Maßnahmen erhöhen und so die benötigten Ressourcen reduzieren.

Es gilt in Zukunft – nochmals verstärkt durch die Pandemie bedingte massive Interruption – mehr denn je, die Stärken von Messen als Live-Kommunikationsinstrument auszubauen, um sich so gegen digitale Alternativen abgrenzen. Letztlich geht es darum, genau diese Chancen bei der one-to-one Begegnung zu nutzen und den einzigartigen kommunikativen Wirkungsgrad auch voll auszuschöpfen.

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